Warum Business Analytics?

Warum ein Modul zum Thema “Business Analytics”

Bevor wir inhaltlich in ein spannendes Themenfeld einsteigen, möchte ich zunächst die Beweggründe für die Konzeption dieses neuen Moduls erläutern.

Business Analytics ist “die Kompetenz, verfügbare Daten so zu analysieren, dass betriebswirtschaftliche Probleme evidenzbasiert gelöst werden können”[Sei19].

Business Analytics umfasst aus meiner Sicht deshalb drei wichtige Elemente, die nicht getrennt voneinander adressiert werden sollten:

(1) Datenkompetenz: in einer digitalen (Unternehmens-)Welt werden Entscheidungen zunehmend datenunterstützt getroffen. Studierende der Betriebswirtschaftslehre sollten deshalb Kompetenzen im Umgang mit und der Analyse von Daten entwickeln.

(2) Technologiekompetenz: die Nutzung von Daten und die teilweise Automatisierung von (Entscheidungs-)prozessen ist eng verknüpft mit der Nutzung von IT-Technologie. Das Themenfeld Business Analytics sollte deshalb nicht ausschließlich auf qualitativer “strategischer” Ebene gelehrt werden, sondern sollte sich ganz konkret mit der praktischen Datenaufbereitung und -analyse sowie Visualisierung beschäftigen. Ganz platt formuliert, sollten Studierende der Betriebswirtschaftslehre nicht nur wissen, was Business Analytics ist, sondern vielmehr auch lernen, wie Business Analytics geht.

(3) Fachexpertise: Business Analytics hat viele Facetten. Nach unserem Verständnis dient Business Analytics dazu, unternehmerische Entscheidungen durch die sinnvolle Nutzung von Daten zu unterstützen. Wir wollen also konkret Daten und Informationen berücksichtigen, die einen Bezug zu betriebswirtschaftlichen Fachfunktionen - z.B. Marketing, Vertrieb, Finanzen, HR oder Controlling - haben.

Das Thema “Business Analytics” ist nicht neu. Darüber hinaus gibt es viel gute Quellen, um sich dem Thema inhaltlich zu widmen. Zum einem gibt es bereits viele Studiengänge und spezielle Kurse in eher technischen Fachbereichen wie der Informatik oder dem Ingenieurwesen, die sich dem Thema explizit widmen. Zum anderen gibt es auch sehr gute Online-Quellen, die das Thema bespielen. Wieso also ein weiteres Angebot?

Die Antwort auf die Frage ist einfach und banal: es gibt bisher kein Angebot, was zu gleichen Teilen (i) auf die speziellen inhaltlichen und didaktischen Anforderungen der Betriebswirtschaftslehre eingeht und (ii) den Anspruch hat über die qualitativen und strategischen Aspekte hinaus auch die technische Dimension von Business Analytics zu vermitteln.

Warum ist das so?

Sie werden wenig überrascht sein, dass die digitale Transformation der Welt und explizit auch der Wirtschaft im vollem Gange ist und mit hohem Tempo nahezu alle Bereiche unseres Leben verändert. Für Unternehmen bedeutet dies u.a. dass Prozesse digitalisiert und (teilweise) automatisiert werden. Ein (Neben-)Effekt daraus ist, dass die für Unternehmen verfügbare Datenmenge (dramatisch und mit rasender Geschwindigkeit) steigt. Dies ist grundsätzlich branchenunabhängig und gilt für den Online-Retailer genauso wie für ein “klassisches” Bauunternehmen. Zu Beginn dieser Entwicklung1 wurde zunächst darauf hingewiesen, dass Daten einen (immateriellen) Wert für Unternehmen darstellen, der zwar meist nicht konkret erfasst wird oder werden kann, jedoch von hoher Bedeutung ist. So titelte der Economist in einer seiner Titelgeschichten “The world’s most valuable resource is no longer oil, but data” (Economist, 06.05.2007). Betrachtet man die Wertentwicklung von Unternehmen in den letzten Jahrzehnten, so scheint sich dies tatsächlich zu bestätigen. Die wertvollsten Unternehmen der Welt sind nicht mehr - wie Jahrzehnte der Fall - Öl- und Gasunternehmen, sondern vielmehr die großen Tech-Unternehmen Google, Facebook, Amazon und Apple, die auf wahren Datenschätzen sitzen. Betrachtet man diese Unternehmen jedoch genauer, so fällt auf, dass sich diese vom Wettbewerb nicht nur oder ausschließlich durch bloße Datenverfügbarkeit abgrenzen, sondern vielmehr durch die Kompetenz diese Daten auch für inhaltlich bessere Entscheidungen oder Produkte zu nutzen.

Insofern ist die Analogie “Daten = Öl” irreführend. Wert von (unternehmerischen) Daten entsteht eben erst durch die sinnvolle Nutzung von Daten. Die genannten Tech-Unternehmen haben deshalb viel Geld und Aufwand in die Nutzung von Daten gesteckt und dies ist nicht zuletzt auch ein Grund für den Boom der “künstlichen Intelligenz”, die es u.a. ermöglicht große Datenmengen zu bearbeiten und zu nutzen.

Hochschulen müssen sich nun fragen, wie mit dieser Entwicklung umzugehen ist. Welche Kompetenzen müssen vermittelt und gelehrt werden, um neue Realitäten abzubilden? Was bedeutet dies konkret für das Curriculum? Die bisher gefundenen Antworten auf diese Fragen sind aus meiner Sicht - und diese ist natürlich begrenzt, ggf. selbstreferentiell und kann nicht das komplette Hochschuluniversum umfassen - nicht zufriedenstellen. Was ist der Grund dafür?

Zu beobachten ist zum einen, dass die Kompetenz mit Daten umzugehen zumeist in “technischen” Studiengängen gelehrt wird. Dort entstehen neue Module und Studiengänge wie “Data Science”. In der Betriebswirtschaftslehre wird das Thema nahezu ausschließlich qualitativ gelehrt. Dies ist aus meiner Sicht nicht nur schade, sondern - mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des Faches - ein großer inhaltlicher und auch strategischer Fehler.

Gerade auch Studierende der Betriebswirtschaftslehre sollten (i) Kompetenzen im Umgang mit Daten und Datenanalyse entwickeln. Jedoch sind diese Kompetenzen eben (ii) nicht identisch mit denen der technischen Studiengänge.

Widmen wir uns zunächst dem ersten Aspekt: auch Kaufleute sollten Kompetenzen im Umgang mit Daten und Datenanalyse entwickeln. Das Argument ist im Grunde so trivial wie naheliegend: Unternehmerische Entscheidungen werden von je her durch kaufmännische Analysen unterstützt. Da diese Analysen heute oft auf sehr großen (theoretisch verfügbaren) Datenmengen basieren, ist es naheliegend, dass auch Kaufleute den Umgang mit und die Nutzung von Daten systematisch erlernen. Ansonsten laufen Unternehmen Gefahr wichtige Daten bei der ökonomischen Beurteilung nicht zu berücksichtigen. Diese Aufgabe kann nicht (ausschließlich) von ökonomiefernen und rein technischen Spezialisten übernommen werden, da diese die fachspezifischen Besonderheiten und Eigenarten der kaufmännischen Daten nicht kennen. Hier mag als Gegenargument genannt werden, dass die unternehmerische Praxis aktuell zeigt, dass zur Lösung der angesprochenen Probleme fachübergreifende Teams gebildet werden, in denen technische und Fachexperten zusammenkommen. In diesem Szenario benötigen Fachexperten keine Datenkompetenz. Dies ist theoretisch richtig. Praktisch zeigt sich jedoch, dass es hilfreich ist ein tiefergehendes Verständnis von Datenanalyse zu haben, um die richtigen Fragen zu stellen und technische Experten auf die richtigen Probleme zu lenken.

Kommen wir zum zweiten Aspekt: die notwendigen Kompetenzen sind nicht identisch mit denen der technischen Studiengänge. Es mag Bedenken geben, dass die Voraussetzungen zum Erlernen von Datenkompetenzen hohes mathematisches und technisches Vorwissen umfasst. Dies ist allerdings nicht notwendigerweise der Fall und beruht auch auf einer Fehlwahrnehmung. So wird das Thema Datenanalyse oft gleichgesetzt mit Statistik und künstlicher Intelligenz. Natürlich Bedarf es bei der Herleitung von komplexen Algorithmen eben den genannten Voraussetzungen, die Studierende der Betriebswirtschaftslehre typischerweise nicht mitbringen (müssen). Jedoch hat der zu beobachtende Fokus auf Algorithmen und Künstlicher Intelligenz im Grunde nichts mit den beobachtbaren unternehmerischen Realität zu tun. Dort geht es zu einem weitaus größeren Teil zunächst darum, sinnvolle Daten zu identifizieren, diese zu bereinigen, um dann Schlüsse daraus zu ziehen. Auch geht es oft darum Analysen sinnvoll zu visualisieren und zu präsentieren. Nur sehr selten geht es um die Anwendung von komplexen Modellen. Jedoch ist selbst die reine Anwendung von komplexen Modellen mit den richtigen Werkzeugen nicht so kompliziert wie viele glauben. Wir brauchen kein Ingenieursstudium um Auto zu fahren. Jedoch brauchen wir Ingenieure, um Autos zu entwickeln. Gleiches gilt für die Welt der Datenanalyse. (Fast) jeder kann komplexe Analysemethoden anwenden. Jedoch bedarf es einer sehr speziellen Ausbildung, um neue Modelle zu erfinden.

Zusammenfassend gibt es in Unternehmen einen steigenden Bedarf an Kaufleuten, die auch über spezifische Datenkompetenzen verfügen. Diese Kompetenzen überschneiden sich jedoch nur zu einem geringen Teil mit denen aus technischen Studiengängen.

Lernziele des Moduls “Business Analytics”

Aufbauend auf der zuvor geführten Diskussion verfolgen wir mit diesem Modul drei inhaltliche Lernziele

  1. Sie sollen den Umgang mit Daten erlernen und in der Lage sein Daten so aufzubereiten, dass diese sinnvoll zusammengefasst und analysiert werden können.

  2. Sie sollen Schlüsse aus Daten ziehen erlernen und in der Lage sein, Entscheidungen durch die Analyse von Daten zu untermauern oder zu unterfüttern.

  3. Sie sollen Daten und Analyse kommunizieren können und in der Lage sein, Ergebnisse von Analyse oder den Entscheidungen zugrunde liegende Daten sinnvoll und adressatengerecht zu kommunizieren. Konkret umfasst dies die Fähigkeit, Daten und Analyse sinnvoll zu visualisieren und in eine “Data Story” zu verpacken.

Die drei genannten Lernziele zielen auf die Vermittlung von Datenkompetenz ab. Wie oben beschrieben, handelt es sich dabei um eines der aus unserer Sicht drei Elemente von Business Analytics.

Auch das zweite Element, die Technologiekompetenz, wollen wir vermitteln. Dies ist aus unserer Sicht jedoch kein Lernziel per se, sondern im Grunde “nur” Mittel zum Zweck. Es stellt sich nämlich die Frage, wie die o.g. Lernziele vermittelt werden sollen. Wie erläutert kann es im Grunde nicht darum gehen, dass Sie theoretisch verstehen oder nachvollziehen, wie Datenanalyse geht. Sie sollten sich die “Hände schmutzig machen” müssen und Datenanalyse praktisch erleben und durchführen. Unser Mittel zum Zweck wird die Programmiersprache Python sein. D.h. Sie werden lernen, Datenanalyse mit Hilfe von kleinen Programmen und Code-Bausteinen praktisch durchzuführen.2

Zuletzt haben wir versucht, alle Beispiele und Fallstudien im Kontext von typischen betriebswirtschaftlichen Fachfunktionen sehen. Konkret heißt das, dass wir Daten analysieren werden, die z.B. aus dem Vertrieb, dem Marketing oder dem Finanzbereich entstammen. Auch wenn wir teilweise aus didaktischen Gründen simple und kleine Datensätze nutzen werden, so handelt es sich bei den Fragestellungen und Datensätzen grds. um realistische Beispiele.


1

der Beginn dieser Entwicklung ist selbst im Rückblick nicht mehr klar zu benennen. Die hier skizzierten Entwicklungen sind schleichend und dann mit exponentieller Geschwindigkeit eingetreten. Für unsere Zwecke ist der Zeitpunkt des Beginns dieser Entwicklung unerheblich. Wichtig ist, dass in den letzten 10 bis 20 Jahren eine dramatische Veränderung eingetreten ist, die voraussichtlich auch noch nicht beendet ist. Der Begriff Business Analytics ist auch davor bereits genutzt worden und deshalb grundsätzlich nicht neu, jedoch hat sich die Bedeutung in den letzten Jahren erhöht.

2

in Abschnitt Warum Python erläutern wir, weshalb wir gerade Python als geeignetes Mittel für die Datenanalyse erachten.